(Für
alle normalen Blog-Besucher: Keine Sorge, zwischendurch arbeite ich
auch weiter im Park und bald gibt´s neue Fachbeiträge...Aber ihr
wißt ja, daß Gärtner manchmal philosophische Anfälle bekommen ;-))
Neue Rosenpark-Fotos gibt es hier:
...aus aktuellem Anlass (Menschenrechts-Standard in Gefahr):
Gratwanderung
„Ihresgleichen“
– Dieses Kommentar-Wort im Zusammenhang mit einem konkreten, jüdischen Menschen
hab ich gestern gelesen und kann die Antisemitismus-Ängste jetzt
nachvollziehen: Es ist ein übergroßes Ausrufezeichen mit dunkel-braunem
Hintergrund.
Auch die
Ängste muslimischer Eltern hinsichtlich Gesetzgebung und Motivation eines
Landes, das Rassisten jahrzehntelang unbehelligt „Döner-Morde“ begehen ließ,
sind nachvollziehbar.
Auf der
anderen Seite steht das konkrete Leiden der Kinder und die Sorge vieler, daß in
unserer Gesellschaft und Gesetzgebung zukünftig noch mehr Leid und Ungerechtigkeiten
zugelassen werden müssen, wenn Irrationalität die Regeln des Zusammenlebens
bestimmt.
Ängste
und Unsicherheit machen aggressiv und die Taktik von Regierung und Befürwortern
der Zirkumzision, die Diskussion a) möglichst zu verhindern, b) Schmerz, Entwürdigung und mögliche Folgen zu
bagatellisieren und c) unangemessen zu relativieren war kontraproduktiv: Zensur
und Desinformation sind keine Mittel zur Beruhigung einer Bevölkerung, die
schon lange gemerkt hat, daß ihr Parlament nicht ihre Interessen vertritt.
Diese
Diskussion ist nötig und wichtig. Ihre Gefahren können aber auch eine Chance
sein:
Vielleicht
dazu, aus vielen kleinen, abgeschlossenen Parallel-Gesellschaften einen Schritt
hin zu gesamtgesellschaftlicher Verantwortung und Gemeinschaft zu gehen. Damit
sich daraus der weitere Weg zu einem echten Europa und zu einer globalen
Kooperation der MENSCHEN ergeben kann. Denn auch das ist durch diese Diskussion
klar geworden: Ein gesamtgesellschaftliches Bewusstsein ist noch lange nicht
vorhanden. Stattdessen sind die Abkapselungen der gesellschaftlichen Teilmengen
gewachsen wie Abszesse, die vor sich hin schwären… Auch Toleranz kann
rassistisch sein, wenn sie sich im Nicht-Hingucken und Tabuisieren äußert: Wer sich
nicht für Betroffene „innerkultureller“ Konflikte (wie z. B. Zwangsehen oder
Drangsalierung von Homosexuellen) einsetzen möchte, verweigert diesen
Mit-Bürgern dadurch den Status als gleichwertige, gleich wichtige Individuen
und qualifiziert ihre Probleme als quasi-folkloristisch ab. Und wer – wie z. B.
ich bis zu dieser Diskussion – alles, was mit Judentum und Israel zu tun hat,
lieber nicht so genau wissen will, wenn es zu Kritik führen könnte, zementiert
damit einen permanenten Opfer-und-potentielle-Täter-Status, der natürliche
Achtung, Nähe und wirkliche Freundschaft auch noch für die nächsten zig
Generationen verhindert, was auch eine spezielle Art von verkrampftem, „solidarischem“
Vorurteil sein kann: Echte Freunde weisen sich nämlich gegenseitig auch schon
mal auf Unangenehmes hin, unechte wahren lieber taktvolle Distanz. Vielen
Muslimen, Juden und Deutschen ist Distanz vielleicht lieber als Annäherung, die
auch unbequeme Auseinandersetzungen beinhalten kann (oder sogar muß). Aber mit
immer höheren Wagenburgen, hinter denen sich nicht kommunizierende „Stämme“
verschanzen kommen wir keinen Schritt weiter, weder hinsichtlich dieser
Gesellschaft, noch in Richtung Europa oder Weltbürgertum.
Das
Aufplatzen einer schwärenden Eiterbeule tut weh und fördert ans Tageslicht, was
man lieber nicht sehen möchte. Aber nur so kann Reinigung und Heilung
passieren. Zu dem, was wir lieber nicht sehen würden, gehört auch der winzige,
antisemitistische und „Fremden“-feindliche Stachel, den die Gesellschaft immer
noch im Fleisch stecken hat. Auch solche Entzündungen erledigen sich nicht
durch Ausblenden von Frustrationen und Ängsten, die sich um den Nucleus bilden.
Kommunikation, Information und Transparenz sind die bessere Therapie. Und wenn
sich die Rechten jetzt plötzlich gleiche Menschenrechte für alle auf die Fahnen
schreiben, können wir sie ja einfach beim Wort nehmen und darauf festnageln.
DAS zumindest ist doch eigentlich nicht verkehrt.
Sowieso
bieten die seltsamen Konstellationen von „Bündnis-Partnern", die wir aktuell
vorfinden, eine optimale Voraussetzung für WIRKLICHE politische Veränderung die
ein „Durcheinanderwirbeln“ braucht, um stattfinden zu können: Ein großer Teil
der sich links verortet Empfindenden, Feministinnen und üblichen
Menschenrechtsvertreter findet sich im selben Boot mit den etablierten Parteien
und konservativ patriarchalischen Religionsvertretern, während sich ein bunter Haufen
anderer Menschenrechtler, Kirchenmitglieder, Religionskritiker und
Grundgesetzverteidiger – inklusive einiger echter oder potentieller Rassisten-
im anderen befindet. Diese merkwürdige und teilweise tragikomische Situation
reißt überraschende Lücken in vorher stabile Wagenburgen wie Denkmuster und bringt
sowohl Durchzug als auch Einblicke: Jeder, der die Diskussion verfolgt, liest
zur Zeit wahrscheinlich mehr als sonst in einem Jahr, lernt mehr über Bibel,
Thora und Koran, männliche Anatomie und Schmerzforschung, Geschichte und Philosophie,
Ängste, Traditionen und Ressentiments verschiedener Bevölkerungsgruppen als er
sonst vielleicht jemals erfahren hätte. – Und das ist gut so!
Jeder,
der sich an seine Kindheit erinnert, weiß, daß Lernen weh tut und wir Bürger lernen
grade gemeinsam sehr schnell sehr viel...Es wäre schön, wenn als Ergebnis des
anstrengenden Lernprozesses ein gemeinsamer Grund-Konsens darüber entstünde, wie wir zukünftig zusammen leben
wollen. Ohne allseits akzeptierte „Hausordnung“ wird es nicht gehen und deren Zustandekommen
erfordert Diskussion, Offenheit, Information und die Bereitschaft, aufeinander
zuzugehen, um gemeinsam weiter zu kommen.
Ich
persönlich finde die Vorstellung, jüdische und muslimische Kinder nach dem
Urlaub zu kontrollieren oder jüdische Häuser oder Synagogen zu durchsuchen
grauenvoll und fände eine erneute Auswanderungswelle sehr traurig…Solche
Situationen müssen wir uns allen ersparen. Andererseits ist es auch unannehmbar,
Kindern und Jugendlichen Menschenrechte vorzuenthalten oder (wieder) „Sonder-Gesetze“
zu etablieren…Einen konkreten Ausweg aus diesem Dilemma müssen Kompetentere
finden als naive Gutmenschen wie z. B. ich. Die panische Bundestags-Resolution war
kein Ausweg sondern eine Sackgasse.
Wir
befinden uns m. E. grade mitten in einer historischen Ausnahme-Situation, die
Zäsur und Gratwanderung in einem ist, Risiken enthält und: Große Chancen und
Möglichkeiten, uns GEMEINSAM weiter zu entwickeln.
BTW: Vielleicht eine kleine Erklärung, was Gärtner manchmal dazu bringt, sich Gedanken über gesellschaftliche Entwicklungen zu machen:
- l´âge
bleu, oder „das blaue Zeitalter“, ist ein Name, der
einer persönlichen Philosophie entspricht:
Von allen
Bedeutungen der königlichen Farbe BLAU sind Klarheit (des Denkens) und Tiefe
(des Empfindens) die mir wichtigsten. Auch die Assoziation mit Spiritualität
ist bei der Bezeichnung l´âge bleu durchaus erwünscht.
Das blaue
Zeitalter, für dessen Verwirklichung der Rosenpark-Name steht, wird also ein
Zeitalter sein, in dem die Menschen mit Hilfe von Klarheit des Denkens und Tiefe
des Empfindens die Erde zu einem Ort der Harmonie und Gerechtigkeit für alle
Lebewesen machen.
- Diese
Zielvorgabe ist natürlich genauso größenwahnsinnig wie die Idee, ein 8000
m2-Gelände ganz alleine zu bewirtschaften, aber nur wer sich Großes vornimmt wird
auch dazu beitragen können, Großes zu erreichen…
(wer mehr wissen möchte kann in "zur Person" unter "Beitragende" nachlesen)